Aktuelle Veranstaltungen und Hinweise
Auch in diesen schwierigen Corona-Pandemie-Zeiten wollen wir unserem Auftrag nachkommen und die Geschichte der Stadt Münden und deren
Umfeld erarbeiten und sie vermitteln.
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Sydekum. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir Sie unter den Teilnehmer*innen unserer Veranstaltungen begrüßen könnten.
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Ihr Geschichtsverein Sydekum
Am 06.04.2017 referierte unser Mitglied Holger Gruber (Stuttgart) in seinem Vortrag „Neues vom alten Rathaus“ über jenes Gebäude, das
wiederholt einer umfassenden Sanierung unterzogen werden musste. Abseits der häufig wiederholten Betrachtung des Gebäudes im kunst-
und baugeschichtlichen Kontext der Weserrenaissance, standen archivarische Quellen und regelmäßige Besuche der Baustelle im
Vordergrund. Sicher entkräftet werden konnte die häufig wiederholte Einschätzung, dass die Erweiterung des Rathauses über den gotischen
Kernbau hinaus, auf bislang unbebautem Grund stattgefunden hatte. Ganz besonders augenscheinlich wurde dieses anhand des
durchgehenden Mauerwerks belegt, das sich an der Nordfassade im unteren Drittel ohne Baufuge in Richtung Ratsstube durchzieht. Die ab
Sommer 1975 begonnene Neuverputzung des Rathauses hat die bis dato rund 90 Jahre währende Steinsichtigkeit und die heutige Nach-
vollziehbarkeit am Bauwerk beseitigt. Ein weiterer wichtiger Beleg für die vorherige Bebauung des für den Rathausumbau benötigten
Baugrunds findet sich deutlich im Baukostenbuch. Im Jahre 1603 wurden recht hohe Lohnkosten für den Abbruch der alten Gebäude und des
Ausheben der Baugrube für die neuen Kellergewölbe zur heutigen Lotzestraße verausgabt. Abgebrochen wurde auch die dortige Trinkstube
des Rates.
Was war aber das Hauptmotiv für den Bau des neuen Rathauses? Ein Schlüsselbeleg ist, dass das Baukostenbuch nicht den Bau des Rat-
hauses bezeichnet, sondern den eines Hochzeitshauses. Das ausgehende 16. Jahrhundert bot einer städtischen Oberschicht, einem vor allen
aus dem Handel gespeisten Reichtum. Standesgemäße Eheschließungen sollten diesen Wohlstand repräsentieren, doch arteten die Feier-
lichkeiten bisweilen tumultartig aus. So schleppten Kinder und weniger Begüterte Speisen und Getränke nach Hause. Diesem und anderen
Sittenverfall versuchte man, vor allem nach einer Rüge des gesamten Rates durch die herzogliche Regierung, mit einem, auch den Reichtum
und das wachsende Selbstbewusstsein des Rates ausdrückenden Baues eines neuen Hochzeitshauses und dem Erlass einer strengeren
Hochzeitsordnung gerecht zu werden.
Von Friedrich Weitmann zu Georg Grossmann
Hinsichtlich des Baues vertraute sich der Rat zunächst Friedrich Weitmann an. Unter seiner Regie und unter Anwerbung von Maurern aus
dem Voigtland wurde der Rathausumbau in Angriff genommen und in großen Teilen bis 1603 mit dem Richtfest abgeschlossen. Dann trat
Georg Grossmann (auch Crossmann), in heutiger Sprache ausgedrückt, als Architekt, Bauleiter und Generalunternehmer für den Weiterbau
auf. Ihm und seinem Sohn wird die Neugestaltung der Nordfassade mit den Schmuckgiebeln zugeschrieben. Wenn auch die genauen Hinter-
gründe der Neukonzeption des Baues sich nicht erschließen lassen, so waren die Folgen unmittelbar nach der Fertigstellung und auch in
jüngster Zeit noch spürbar. Auch wenn das Baukostenbuch 1609 geschlossen wurde, sind noch erhebliche Kosten in den Kämmerei-rechnun-
gen der Folgejahre zu finden. Schon 1610 wurde das Tanzen im Hochzeitshaus in der oberen Halle verboten. Grund waren fehlende Stützen
in beiden Rathaushallen. 1619 wurden die beiden Hallen mit dem Ein-zug zusätzlicher Stützen statisch gesichert. Vor allem wurden die Lasten
des komplexen Dachstuhls bis in jüngste Zeit nicht hinreichend auf das Mauer-
werk und die Stützkonstruktionen abgeleitet. Grossmann stellte dem
ursprünglich geplanten durchgehenden breiten Satteldach, ein nördliches Quer-
dach mit den fünf Zwerchhäusern gegenüber. 1724 stürzte der mittlere Zier-
giebel, samt seiner Figur auf Marktplatz und dem Altan, den die Mündener als
„die Grad“ bezeichneten. Neben den der Umgestaltung geschuldeten statischen
Kinderkrankheiten, gab es eine Fülle von Umbauten und An-passungen an ge-
änderte Nutzungsanforderungen, die fast jeder Generation erhebliche Auf-
wendungen für den baulichen Unterhalt und die Sanierungen abforderten.
IBilder: Die allegorische Figur „Glaube“ vom Mittelgiebel der Nordfassade. Das
Bild der Sanierung des Jahres 1975 demonstriert Handlungsbedarf. „RPR 1724“
deutet auf den Einsturz und den Wiederaufbau des Giebels in diesem Jahr hin.
Böse Zungen könnten meinen: „1724 war der Glaube vom Rathaus abgefallen.“
Fotos: Gruber, Stadtarchiv
Text: Stefan Schäfer, Stadtarchivar